4 Beanspruchung der Dichtstoffe und Schadensursachen

Anschlussfugen an Holzbauteilen und Holzwerkstoffen sind bewegungsbeansprucht. Aufgrund der unterschiedlich großen Maßänderungen und der unterschiedlichen Materialbeschaffenheit anderer angrenzender Baustoffe ist daher auch ein dementsprechendes physikalisches Verhalten, d. h. thermische Längenänderung (thermischer Ausdehnungskoeffizient) feuchtigkeitsbedingte Verformung (Quellen und Schwinden) Steifigkeit und Durchbiegung (mechanische Beanspruchung) Verwerfung und Verdrehung Windlast bei Giebel- und Deckenkonstruktionen zu beachten.

Kommt es nach der Abdichtung zu Flankenabrissen und/oder Rissen im Dichtstoff, ist die Ursache zunächst nicht eindeutig und wird der handwerklichen Ausführung oder dem eingesetzten Dichtstoff zur Last gelegt.
(siehe Bilder 14 bis 16)

Abbildung 14
Mangelhafte Fugendimensionierung am Anschluss der Nut- und Federbretter zum unteren Holzbalkenabschluss (nicht maßhaltige Bauteile im Außenbereich dürfen nicht mit spritzbaren Dichtstoffen abgedichtet werden).

Abbildung 15
Kohäsionsrisse im Dichtstoff durch zu starke Bewegung der nicht maßhaltigen Holzbauteile

Abbildung 16
Kohäsionsrisse im Dichtstoff zwischen Metallprofil und Holzwand auf Grund zu starker Fugenbewegung


4.1 Fugenkonstruktion und Fugendimensionierung

Häufig ist im Anschlussbereich keine für einen spritzbaren Dichtstoff fachgerechte Fugenausbildung vorhanden (min­destens 6 x 6 mm im Innenbereich und 10 x 8 mm im Au­ßenbereich). Ist die Fugenbreite zu gering oder wird die Abdichtung als Dreiecksfase ausgeführt, muss mit einer Kohäsionsrissbil­dung im Dichtstoff oder mit Flankenabrissen gerechnet werden. Dreiecksfasen erfüllen nur in Fugen mit sehr geringen Be­wegungen ihre Funktion (z. B. Wandanschlüsse von Innen­türzargen oder an mechanisch befestigten Sockelleisten).

Abbildung 17
Prinzipskizze einer Fugendimensionierung


4.2 Bewegungen in der Fuge

Um in Anschlussfugen den richtigen Dichtstoff dauerhaft funktionsgerecht einsetzen zu können, muss der Planer oder der ausführende Betrieb die später in den Fugen auftreten­de Bewegung berechnen oder zumindest abschätzen kön­nen, um die Zulässige Gesamtverformung des Dichtstoffs nicht zu überschreiten und Fugenschäden zu vermeiden.

4.2.1 Maßhaltige Bauteile

Berechenbar ist die Bewegung nur bei maßhaltigen Bauteilen.
Die Bewegung von maßhaltigen Bauteilen setzt sich zusam­men aus dem Schwinden und Quellen des Holzes, sowie aus der thermischen Längenänderung.

4.2.2 Begrenzt maßhaltige und nicht maßhaltige Bauteile

Neben dem reversiblen Schwinden und Quellen kann ein Baustoff bzw. Bauteil jedoch auch anderen gravierenden Veränderungen unterworfen werden wie z. B.: Verwerfungen oder Durchbiegungen. Werden die Maßänderungen so unkontrolliert groß und mehrdimensional, können sie nicht mehr berechnet werden (Bewegungen von mehr als 100% bezogen auf die Fugen-breite können auftreten).
Der Dichtstoff wird nicht nur durch  Dehn-/Stauchbewe­gungen beansprucht, sondern gleichzeitig auch in Form von Scher- und Schälbewegungen.

Abbildung 18
Dehnung

Abbildung 19
Stauchung

Abbildung 20
Schälung

Abbildung 21
Scherung


4.2.3 Berechnungsbeispiele zum Schwinden und Quellen von Holzbauteilen

Als Holz wird in diesem Beispiel mitteleuropäische Eiche verwendet, die eine mittlere Dimensionsänderung von 0,26% quer zur Faser pro Prozent Änderung der Holzfeuchte aufweist.
Als beispielhafte Änderung der Holzfeuchte werden 6,9% angenommen. Das entspricht einem Wohnraum, der sich im Sommer auf 25° C aufheizt, während im Winter auf 20° C geheizt wird, mit einer relativen Luftfeuchtigkeit von 30% im Winter und 70% im Sommer.

Damit ergeben sich folgende Maßänderungen an Bauteilen aus diesem Holz:

Quer zur Faser
0,26% pro Änderung der Holzfeuchte in Prozent mal 6,9% Änderung der Holzfeuchte = 1,8%
Bei einer Bauteilbreite von 30 cm sind das beachtliche 5,4 mm (1.8% X 300 mm).
Daran lässt sich erkennen, dass auch relativ geringe Bauteilbreiten bei Holz bereits zu hohen Fugenbewegungen führen können.

Längs zur Faser
Die Maßänderungen längs zur Faser sind im Mittel um den Faktor 15 geringer als quer zur Faser.
Damit ergibt sich analog zur obigen Berechnung eine Maßänderung von 1,8% durch 15 = 0,12%.
Bei einer Bauteillänge von 5 m ergibt sich damit eine Längenänderung von 6 mm.
Bei der Auslegung von Fugen an einem 5 m langen Eichenbalken mit einem Querschnitt von 30 cm mal 20 cm im Innenbereich sind natürlich beide Dimensionsänderungen zu berücksichtigen, die sich überlagern und verstärken (in Form einer Scherbewegung auf die Fuge von 8 mm).
Bei größeren Änderungen der Holzfeuchten, wie sie im Außenbereich auftreten können, sind noch deutlich größere Bewegungen möglich.

Beispiele zum richtigen Einsatz von spritzbaren Dichtstoffen:
Treten Bewegungen von insgesamt 5 mm in der Fuge auf und wird ein Dichtstoff mit einer ZGV von 25% eingesetzt, muss die erforderliche Fugenbreite 20 mm betragen.
(siehe Bilder 22 und 23)

Abbildung 22
ZGV 25% (erforderliche Fugenbreite 20 mm)

Abbildung 23
ZGV 25% (erforderliche Fugenbreite 20 mm)


Wird bei Fugenbewegungen von 5 mm ein Dichtstoff mit einer ZGV von nur 12,5% eingesetzt, muss die erforderliche Fugenbreite 40 mm betragen – technisch und wirtschaftlich ist das nicht sinnvoll.
(siehe Bilder 24 und 25)

Abbildung 24
ZGV 12,5% (erforderliche Fugenbreite 40 mm)

Abbildung 25
ZGV 12,5% (erforderliche Fugenbreite 40 mm)


Herausgeber:
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