4 Beanspruchungen der Abdichtung

Um das richtige Material dauerhaft und funktionsgerecht einsetzen zu können, muss der Planer oder der ausführende Betrieb die später auftretende Bewegung im Vorfeld berechnen oder zumindest abschätzen können, um die Zulässige Gesamtverformung (ZGV) eines Dichtstoffs nicht zu überfordern.

Das jeweils eingesetzte Material wird nicht nur durch Dehn-/Stauchbewegungen beansprucht, sondern gleichzeitig auch in Form von Scher- und Schälbewegungen.

Die Fuge muss daher, um materialgerecht abgedichtet werden zu können, ausreichend dimensioniert sein.

Abbildung 12
Dehnung

Abbildung 13
Stauchung

Abbildung 14
Schälung

Abbildung 15
Scherung


4.1 Ursachen der Bewegungen im Fugenbereich

Der wesentliche Faktor der Veränderungen im Fugenbereich ist neben der Windbelastung die temperaturbedingte Längenänderung der Bauelemente.

Diese Längenänderung wird von drei Faktoren beeinflusst:
  • Linearen, spezifischen Wärmeausdehnungskoeffizienten des Baustoffs (α)
  • Temperaturdifferenz zwischen Sommer und Winter an der Fassade
  • Länge des Bauelementes

4.1.1 Der lineare Wärmeausdehnungskoeffizient

Jeder Baustoff hat einen bestimmten Ausdehnungskoeffizienten, der die Längenänderung eines Bauelementes bei Temperaturänderungen beschreibt.

Tabelle 1: Lineare Ausdehnungskoeffizienten wichtiger Baustoffe
Baustoffe   Koeffizient α[1/°C] ( Faktor x 10 -6) Ausdehnung bei ΔT = 100°C in mm pro Meter
Metalle Aluminium 24 2,4
  Stahl 13 1,3
  Nicht rostender Stahl 10 - 16 1,0 - 1,6
  Stahl    
  Kupfer 16,5 1,6
  Messing 18,5 1,8
Zementgebundene Baustoffe Beton 6 - 14 0,6 – 1,4
  Mauerwerk 5 0,5
  Porenbeton 11 1,1
  Zementmörtel 10 - 13 1,0 – 1,3
Trockenbau-Elemente Gipsfaserplatte 8 0,8
  Gipskartonplatten 4 0,4
  Holzspanplatte 30 3
Kunststein Klinker 7 0,7
  Keramische Platten 6 0,6
  Kalksandstein 8,5 0,85
Holz   7 0,7
Natursteine Marmor 2 - 20 0,2 – 2,0
  Travertin 7 0,7
  Sandstein 12 1,2
Kunststoffe Acrylglas 80 8,0
  Hart-PVC 80 8,0
  Polycarbonat 70 7.0
Floatglas   9 0,9


4.1.2 Die Temperaturdifferenz

Insbesondere bei Metallen ist die Farbgebung der Oberfläche von wesentlicher Bedeutung für die Belastungen in der Fuge.
Je dunkler der Farbton, umso höher ist die Oberflächentemperatur bei Sonneneinstrahlung und damit die Temperaturdifferenz zwischen warmer und kalter Jahreszeit.

Tabelle 2 zeigt die maximalen Oberflächentemperaturen (Sonneneinstrahlung im Sommer) der einzelnen Farbgebungen


Tabelle 2: Oberflächentemperaturen bei Metallen, unabhängig vom Werkstoff
Farbton Maximale Oberflächentemperatur (°C) Tönung
Weiß, Gelb, Hellelfenbein 40 – 50 Hell getönt
Orange, Blutorange, Feuerrot 50 – 65 Mittel getönt
Rubinrot, Brilliantblau, Enzianblau, Resedagrün, Silbergrau 65 - 80 Dunkel getönt
Anthrazit, Schwarz 90  


4.1.3 Berechnung der Bewegung in der Fuge

Aus den drei Faktoren
  • Linearer Ausdehnungskoeffizient (α)
  • Temperaturdifferenz in  °C (ΔT)
  • Länge des Bauteils in mm (L)
kann die zu erwartende Bewegung berechnet werden.

Berechnungsformel der Bewegung
Bewegung in mm (Längenänderung ΔL) = α x ΔT x L

Zur Berechnung der Temperaturdifferenz wird die untere Temperatur im Winter auf -20 °C festgelegt.
Berechnung am Beispiel eines 2 m langen Fassadenelements aus Aluminium hellgetönt und einer Temperaturdifferenz von 70°C  im Außenbereich (von  -20 °C bis +50 °C )
Längenänderung: 24 x 10ˉ6 1/°C x 70°C x 2000 mm = 3,4 mm

4.1.4 Berechnungsformel zur Errechnung der erforderlichen Fugenbreite:

Zugelassen für die Fassade im Außenbereich nach DIN EN 15651-1 sind spritzbare Dichtstoffe mit einer ZGV  von  7,5 % bis 25 %.
Zugelassen für die Fassade im Außenbereich nach IVD sind spritzbare Dichtstoffe mit einer ZGV von min. 20 % bis 25 %, im Innenbereich aufgrund der geringeren Belastung  min. 12,5 %.

Berechnungsformel: Längenänderung in mm x 100 ZGV des Dichtstoffs

Tabelle 3: Erforderliche Fugenbreiten für spritzbare Dichtstoffe im Außenbereich
ZGV 25 % 12,5 %
Fugenbreite für eine Längenänderung von 2 X 3,4 mm und einer Einbautemperatur von 20° C 14 mm 27 mm



 

Schlussfolgerung
Um einen elastischen Dichtstoff mit einer ZGV von 25 % nicht zu überfordern, muss die Fugenbreite zwischen 2 m langen Aluminiumelementen und einer zu erwartenden Temperaturdifferenz von 70 °C also mindestens 14 mm betragen.

Bei Dichtstoffen mit einer geringeren ZGV muss die Fuge deutlich breiter ausgeführt werden.

Herausgeber:
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